»Garantiert fehlerfrei«?

Wer im Internet nach einem Lektorat oder Korrektorat sucht, findet immer wieder Anbieter:innen, die »fehlerfreie« Texte garantieren. Sind derartige Versprechen seriös oder handelt es sich lediglich um einen Werbetrick? Und gibt es das überhaupt – fehlerfreie Texte?

In einem gerade erschienenen Blog-Beitrag von Huberta Weigls Schreibwerkstatt geht es um die Frage, wie Lektor:innen und ihre Auftraggeber:innen es mit der Fehlerfreiheit halten: Ist es realistisch, nach einem Lektorat einen fehlerfreien Text zu erwarten? Zusammen mit Inga Beißwänger und Julia Schoch-Daub habe ich in dem Beitrag meine Einschätzung zu diesem Thema gegeben. Dabei sind wir alle zu demselben Schluss gekommen: Fehler zu machen bzw. zu übersehen ist menschlich und lässt sich – gerade bei längeren Texten – kaum vermeiden. Es geht beim Lektorat deswegen nicht in erster Linie um perfekte, sondern um sehr gute Texte.

Dennoch finden sich online immer wieder Angebote, die Fehlerfreiheit garantieren. Was soll man davon halten? Dazu sei zunächst gesagt: Komplett fehlerfreie Texte herzustellen ist nicht völlig unmöglich, doch es bedeutet einen sehr hohen Aufwand. Bis ein Lektor oder eine Lektorin auch den letzten kleinen Fehler gefunden hat, braucht es deutlich mehr als die üblichen zwei oder drei Korrekturdurchgänge. Und das ist mit entsprechend höheren Kosten verbunden. So müsste ich, um einigermaßen seriös einen »garantiert fehlerfreien« Text versprechen zu können, wahrscheinlich dreimal so viel in Rechnung stellen wie üblich.

Lohnt es sich, einen solchen Aufpreis zu zahlen, um den Text von 98 oder 99 Prozent Fehlerfreiheit auf 100 Prozent zu bekommen? Es mag einzelne Textarten geben, die diese Investition rechtfertigen. In einem Lehrbuch zum Thema Rechtschreibung wäre es zum Beispiel besonders wichtig, dass dort tatsächlich keine Fehler enthalten sind. Doch im Normalfall kommt es nicht darauf an, ob eine aufmerksame Leserin irgendwo ein fehlendes Komma bemerkt – solange das Gesamtpaket ansonsten stimmt.

Wenn man auf das Werbeversprechen »garantiert fehlerfrei« stößt, kann man sich also zunächst fragen: Benötige ich überhaupt einen absolut fehlerfreien Text, oder genügen die 99 Prozent? Danach sollte ein Blick auf die Preisgestaltung folgen. Wenn für diese besonders zeit- und arbeitsaufwendige Dienstleistung ein durchschnittliches oder sogar günstiges Honorar verlangt wird, dann kann man davon ausgehen, dass es sich dabei um ein unseriöses Lockangebot handelt. Denn auch für ein Lektorat gilt: Klingt etwas zu gut, um wahr zu sein, ist es meistens auch nicht wahr.

Hier geht es zu dem Blog-Beitrag der Schreibwerkstatt: »Ist ein Text nach dem Lektorat fehlerfrei?«

Hier ist Julia Schoch-Daubs Blog-Beitrag zu diesem Thema: »Fehlerfreie Texte – Ein Kommentar«

Und hier schreibt Inga Beißwänger darüber, warum Lektor:innen selten im Scheinwerferlicht stehen: »Keine ›Goldene Lisa‹ für das beste Lektorat«


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